Der deutsche Arbeitsmarkt braucht eine globale Denkweise – Mein Beitrag bei TrafoBeat

Warum Rekrutierung, Retention und Diversität über Grenzen hinaus gedacht werden müssen, um den Fachkräftemangel zu bewältigen

Im April durfte ich bei der Konferenz TrafoBeat – Multiply Your Workforce als Speaker auftreten. Die Veranstaltung brachte HR-Verantwortliche, Talent-Strateg:innen und zukunftsorientierte Unternehmen zusammen, um über die Herausforderungen und Chancen des modernen Arbeitsmarkts zu sprechen.

Mein Vortrag stand unter dem Motto:

„#GoodMorningVietnam – Aufwachen! Warum wir den deutschen Arbeitsmarkt und Personalbeschaffung im globalen Kontext denken müssen.“

Realitätscheck: Der deutsche Arbeitsmarkt steht unter Druck

Deutschland benötigt jährlich 400.000 zusätzliche Fachkräfte, um wirtschaftlich stabil zu bleiben. Diese Zahl ist keine Theorie – sie ist Fakt. Das Problem ist nicht nur das Besetzen offener Stellen, sondern die langfristige Sicherung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesichts von demografischem Wandel und steigenden Anforderungen.

Gleichzeitig sind weltweit 800 Millionen Menschen bereit, international zu arbeiten. Dennoch halten viele Unternehmen weiter an überholten Denkmustern fest. Sie suchen immer noch „den Matthias und die Lena aus dem Nachbardorf“. Selbst „Magdalena und Igor aus Osteuropa“ sind rar geworden. Talente sind da – aber oft nicht regional.

Deshalb brauchen wir einen grundsätzlichen Mindset-Shift. Nicht nur in HR-Abteilungen, sondern in Führungsetagen, allen Industriebranchen und auch in der Politik. Deutschland unterzeichnet zwar Migrationsabkommen und zeigt sich kooperationsbereit – aber zu Hause ist noch viel zu tun: Strukturen schaffen, neue Arbeitsmodelle designen und echte Willkommenskultur leben.

Diversität ist kein Buzzword – sondern wirtschaftliche Notwendigkeit

Im Rahmen der Veranstaltung wurden zentrale Fragen diskutiert:

  • Sind nur junge Menschen High Potentials?
  • Was passiert, wenn Frauen in Teilzeit bleiben und der Fachkräftemangel in Vollzeitrollen zuschlägt?
  • Welche Diversity-Maßnahmen bringen wirklich etwas – und welche nur Schlagzeilen?
  • Wie bewahrt man Boomer-Wissen und setzt gleichzeitig auf smarte Tools für schlankere Teams?

Diese Fragen sind kein akademischer Diskurs, sondern eine tägliche Realität für Unternehmen, die zukunftsfähig bleiben wollen. Die Antwort liegt nicht innerhalb nationaler Grenzen. Echte Vielfalt heißt, auch außerhalb des deutschsprachigen Raums zu rekrutieren – und global zu integrieren.

Und genau dort beginnt die eigentliche Herausforderung.

Globale Rekrutierung reicht nicht – Integration ist der Schlüssel

Internationale Talente einzustellen ist der erste Schritt – aber die Integration entscheidet über den Erfolg. Sprachbarrieren, kulturelles Onboarding, Visa-Prozesse, Entwicklungsmöglichkeiten: Wer global denkt, braucht Systeme, Empathie und langfristige Strategien.

Wie ich es auf der Bühne formuliert habe:

„Wir brauchen keine Angst haben wegen der Baby Boomer – es gibt Lösungen. Die Frage ist nur, wie wir den nötigen Mindset-Change in die Breite bekommen.“

Retention ist mindestens so wichtig wie Recruiting. Und es geht nicht nur darum, Mitarbeitende zu halten – sondern darum, dass sie bleiben wollen. Hier kommt Flexibilität als Benefit ins Spiel.

New Work: Flexibilität, Well-being und hybride Modelle

In der heutigen Arbeitswelt ist Flexibilität keine Zusatzleistung mehr – sondern Grundvoraussetzung. Modelle wie Workation, Remote Collaboration oder flexible Karrieren sind längst Standard-Anforderungen.

Der neu eingestellte Kollege aus Indien möchte Zeit bei seiner Familie verbringen. Die deutsche Mitarbeiterin möchte frei arbeiten – vielleicht sogar im Van durch Spanien. Beides ist berechtigt. Beides ist möglich. Vorausgesetzt, Unternehmen denken ihre Arbeitsmodelle neu.

Derzeit wirkt die große Rückkehr-ins-Büro-Welle wie ein Schritt zurück. Gleichzeitig ist voll remote auch nicht immer die Lösung. Die Realität liegt dazwischen: Hybride Modelle, abgestimmt auf das Jobprofil – nicht auf alte Gewohnheiten.

Gleichzeitig wächst der Fokus auf Employee Well-being. Auch wenn der traditionelle Mittelstand es nicht mehr hören kann – das Thema ist gekommen, um zu bleiben. Wohlfühlen am Arbeitsplatz ist längst wirtschaftlich relevant.

Blick nach vorn: Offenheit statt Angst

Die Zukunft des Arbeitsmarkts entscheidet sich nicht nur an politischen oder wirtschaftlichen Stellschrauben. Sie hängt ab von Kultur, Mut und Gemeinschaftsgeist.

Wir müssen:

  • Talente aus dem Ausland nicht nur rechtlich, sondern auch kulturell willkommen heißen.
  • Arbeitsplätze gestalten, die Menschen wirklich wollen – nicht nur tolerieren.
  • Vertrauen, Zugehörigkeit und Flexibilität zum Standard machen.

Wir sollten nicht warten, bis der Arbeitskräftemangel dramatisch spürbar wird. Jetzt ist die Zeit zu handeln – mit neuen Denkmustern und echten Lösungen für Integration, Innovation und internationale Zusammenarbeit.

Wie ich zum Abschluss gesagt habe:

„Wir müssen weiter unseren Blick aufs Ausland richten. Wir müssen Freiheit, Flexibilität und faire Bezahlung bieten. Der globale Talentpool ist riesig – aber wir müssen ihn auch ansprechend gestalten.“

Wenn dich diese Themen bewegen oder du dein Unternehmen in diese Richtung entwickeln möchtest – lass uns ins Gespräch kommen. Der Wandel beginnt dort, wo wir uns trauen, neu zu denken.
Autor: Daniel Zinner
Internationaler HR-Experte, Unternehmer und Kommunikationsberater.
Mitgründer, People Mobility Alliance

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